In einer wilden Sturmesnacht
In einer wilden Sturmesnacht - hört zu, was ich euch sag -
Fuhr Blitz auf Blitz hernieder, machte so die Nacht zum Tag.
Und Donner tobt um´s Schloß und dann - so heißt´s in dieser Mär -
Ein grelles Heulen stieg empor, vom Ostturm kam es her.
Nicht Tier, noch Monster war´s, das wußten alle nur zu gut.
Kein Dämon, kein Gefolterter war dort gequält auf´s Blut.
Kein Geist ging um, es war auch keiner Totenklage Klang.
Die Gräfin übte sich dort jeden Abend im Gesang.
Die Gräfin fühlte immer schon zur Bardin sich gebor´n.
Wer anders dachte, hatte nichts auf ihrem Schloß verlor´n.
Drum mußten alle lauschen und sie preisen jeden Tag,
Und schwören: "Eure Stimme - vogelgleich, ganz ohne Frag´."
Die Gräfin fühlte außerdem zu Höh´rem sich gebor´n.
Drum spürte auch ihr Mann, der Graf, wohl täglich ihren Zorn.
Nicht nur quält sie den guten Mann fast ständig, Lied für Lied -
Er ist auch noch an allem schuld, was sonst im Schloß geschieht.
In einer dunklen Sturmesnacht geschah´s, hab ich gehört.
Und das war auch vielleicht der Grund, daß niemand es gestört.
Als plötzlich die Musik verstummt, und dann am nächsten Tag
Fand man die Gräfin, die im Turme tot am Boden lag.
Ein Herold kam, um aufzuklären diese Missetat
Und fragte alle in dem Schloß, wer was gesehen hat.
Und eines wurde ihm dabei als allererstes klar:
Für jeden Schritt des Grafen diese Nacht war´n Zeugen da.
Die Dienerschaft beschwor, man könne völlig sicher sein
Der Graf war während jener Nacht nicht einmal ganz allein.
Der Turm war gründlich abgesperrt und Schlüssel gab´s nur zwei.
Bei Graf und Gräfin, trotzdem war der Graf von Schuld wohl frei.
Der Herold hat auf Selbstmord wohl in diesem Fall erkannt.
Und dieses Urteil billigte mit Recht das ganze Land.
Den Urteilsspruch des Herolds hielt hier jedermann für wahr -
Doch warum sie ihre Laute essen wollt war keinem klar.
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